Vor ein paar Wochen bekam ich vom Ventil Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar des Buches „Ab heute vegan“ zugeschickt, nachdem mich eine der Autor_innen gefragt hatte, ob ich es rezensieren würde. Auf dieses Buch habe ich gespannt gewartet, denn obwohl „Veganismus“ gerade ein Trendthema ist, scheint die Anzahl deutschsprachiger Ratgeber, die einem helfen können, sich einen Überblick über die Thematik „vegane Lebensweise“ zu verschaffen, doch noch sehr übersichtlich zu sein.
„Ab heute vegan“ ist ein schmales Bändchen. Es schneidet in zwölf Kapiteln die meisten Bereiche an, die bei der Umstellung auf eine vegane Lebensweise wichtig sein können: Motivationen, Ernährung und Gesundheit, Kochen, Backen und Lebensmittel, Einkaufen von Kosmetik, Kleidung und Reinigungsmitteln und einiges mehr. Aufgelockert wird das ganze durch Interviews mit verschiedenen Veganer_innen, die ihren Weg in den veganen Alltag, ihre Motivationen, den Umgang mit Freunden und Familie und einiges mehr beschreiben. Außerdem findet man ein „veganes ABC“, indem Schlagwörter wie „Verzicht“, „Genuss“ oder „W wie wissen wollen“ diskutiert werden und am Ende des Buches folgt noch ein Serviceteil mit ein paar Grundrezepten.
„Ab heute vegan“ enthält viele praktische Tipps und eignet sich sehr für Personen, die sich einen Überblick darüber verschaffen wollen, worauf man bei einer veganen Lebensweise achten sollte. Deshalb stehen hier besonders die Produkte im Vordergrund, die man als Veganer_in konsumiert oder eben nicht. Es geht dabei nicht nur um Lebensmittel und ihre Herkunft, sondern um alle Tierprodukte. Die Autoren erläutern warum man nicht nur auf Schnitzel, Würstchen und Käse, sondern auch auf Lederschuhe, Wollpullover und an Tieren getestete Kosmetik verzichten sollte. Insgesamt gibt es viele Einkaufstipps und Bezugsquellen, und so ist das Buch bestimmt eine sehr nützliche Ressource für Neu_Veganerinnen. Auch diejenigen, die sich vielleicht nur mal über das Thema informieren möchten, finden hier einen guten Ausgangspunkt.
Meiner Meinung nach bietet das Buch einen vielseitigen Einstieg in die Thematik, lässt aber auch einige Fragen offen. Das ist allerdings auch genau das Anliegen von „Ab heute vegan“ und die Autor_innen weisen auf abweichende Meinungen hin, stellen weiterführende Quellen (Internetseiten, Buchtipps) zur Verfügung und betonen die Vielseitigkeit des Themas. Alle, die das Buch lesen, können sich somit das herauspicken, was sie selbst interessant finden und ihre eigene Recherche betreiben.
Ich weiß, dass ich sicherlich nicht die Zielgruppe für dieses Buch bin. Ich bin Veganerin, und das schon lange. Aber auch wenn ich das nicht wäre, wäre das Buch wahrscheinlich nicht für mich geeignet. Beim Lesen von „Ab heute vegan“ fiel mir auf, dass ich mich oft nicht angesprochen fühlte, obwohl es doch auf jeder Seite um ein mir sehr wichtiges Thema geht, mit dem ich mich fast jeden Tag auseinandersetze. Das Folgende ist sehr subjektiv und explizit meine Meinung. Sicherlich wird das Buch für viele andere Menschen hilfreich sein, aber ich persönlich fand ein paar Dinge problematisch.
Im Buch wird im Kapitel“Entspannt mit (Nicht-)Veganern)“ dazu geraten, in der Auseinandersetzung mit Nichtveganern keine ethisch-moralischen Gesichtspunkte in den Vordergund zu stellen. Man solle statt dessen mit den gesundheitlichen Vorteilen einer veganen Ernährung argumentieren. Mit denen komme man oft weiter, denn, so schreibt das Autorenteam, um seine Gesundheit sorge sich schließlich jeder. Ich persönlich bin allerdings der Meinung, dass, wenn man über Veganismus redet, ethisch-moralische Tierrechtsargumente im Zentrum stehen sollten. (Insgesamt fand ich dieses Kapitel über den Umgang mit Nichtveganer_innen allerdings sehr hilfreich. Insbesondere für diejenigen, die sich gerade erst für eine vegane Lebensweise entschieden haben und das nun ihrer Umwelt erklären wollen/müssen, sind die meisten Tipps bestimmt sehr nützlich.) Die Behauptung, jede_r sorge sich um seine Gesundheit, gibt allerdings einen Hinweis darauf, worum es meiner Meinung nach beim Veganismus in letzter Zeit oft geht und was ich an dieser Stelle schon einmal angesprochen habe. Bei mir entsteht der Eindruck, dass es sich hier um einen Lifestyle handelt, bei dem man selbst und nicht das Tier im Zentrum steht. Dieser Lifestyle lässt sich mit Attributen wie gesund, jung, schlank, fit und eben jetzt auch vegan unschreiben.
Dies wird meiner Meinung nach im Kapitel „Vegan ernähren und gesund bleiben“ untermauert. Hilfreiche Tipps zum Thema Nährstoffe werden hier unterfüttert mit Hinweisen darauf, dass eine vegane Lebensweise „basisch“ sei und der Konsum von Kuhmilch den Körper übersäuere und zu Knochenschwund führen könne, dass wichtige Nährstoffe in ihrer pflanzlichen Form vom Körper besser verarbeitet würden und weniger Nebenwirkungen als die tierische Version hätten und dass der Körper einen B12-Speicher habe, der „durchaus“ drei bis fünf Jahre reiche. Eine vegane Lebensweise schützt mich laut „Ab heute vegan“ vor Zivilisationskrankheiten und hilft mir beim Abnehmen und „in der Regel“ hätte ich zudem eine längere Lebenserwartung. Sicherlich ist es verlockend, eine vegane Ernährungsweise als besonders gesundheitsfördernd herauszustellen, wurde diese doch jahrelang als Mangelernährung verteufelt. Allerdings kann ausgewogenen Ernährung vielseitig sein und beschränkt sich nicht auf rein pflanzliche Lebensmittel. Und für vieles der gerade genannten Punkte hätte ich dann doch gerne ein paar Belege gehabt. Denn einige Behauptungen zum Thema Gesundheit, die hier aufgestellt werden, sind meines Wissens entweder anekdotisch (Übersäuerung) oder widerlegt: Tierisches Einweiß und Kuhmilch sind nicht verantwortlich für eine Ausscheidung von Kalzium und können daher auch nicht für das Entstehen von Osteoporose verantwortlich gemacht werden. Weil Tierprodukte meiner Meinung nach eben nicht pauschal als ungesund deklariert werden können, finde ich es auch nicht sehr überzeugend, gesundheitliche Aspekte beim Thema Veganismus (wenn man zum Beispiel mit Nichtveganer_innen diskutiert) in den Vordergund zu stellen. (Ich hätte mir stattdessen mehr zum Thema Tierrechte gewünscht.) Dasselbe gilt für das leidige Thema Aussehen. Immer wieder, so auch in diesem Buch, wird man in letzter Zeit damit gelockt, man könne durch eine rein pflanzliche Ernährung das eine oder andere überflüssige Pfund verlieren. Gleich zu Beginn des Kapitels wird vor „Puddingveganer[n]“ (S. 27) gewarnt, die sich nur von Fertigprodukten ernährten. Ganz klar, man sollte schon dem statistischen und in letzter Zeit immer und überall zitierten fiktiven Durschnittsveganer entsprechen, der „deutlich seltener übergewichtig ist als [ein Fleischesser], auch ohne Diät“(S. 38). Das ist zumindest der Eindruck, der sich für mich beim Lesen dieses Kapitels festgesetzt hat. Ich finde es sehr schade, dass, obwohl im Buch doch immer wieder zum Hinterfragen gesellschaftlicher Normen und Vorstellungen aufgerufen wird, gerade das in unserer Überflussgesellschaft geltende konstruierte Ideal des schönen, schlanken und gesunden Menschen nicht hinterfragt, sondern der Veganismus als Mittel angepriesen wird, mit dessen Hilfe man sich diesem Ideal nähern kann.
Das Schöne an „Ab heute vegan“ ist allerdings, dass es von mehreren Autor_innen verfasst wurde. Wenn das Kapitel „Vegan ernähren und gesund bleiben“ sich sehr stark auf angebliche gesundheitliche Vorteile einer veganen Ernährung konzentriert und dabei auch industriell gefertigte „Ersatzprodukte“ in keinem guten Licht zurücklässt, werden genau diese Produkte in anderen Kapiteln besprochen und es werde Bezugsquellen für sie genannt. Am Ende gibt es sogar ein Muffinrezept. Außerdem werden neben gesundheitlichen Aspekten eben auch viele andere Gründe für eine vegane Lebensweise erläutert, es kommen ganz unterschiedliche Veganer_innen zu Wort und man findet interessante Denkanstöße. Die vielen Einkaufstipps und Bezugsquellen sind alle sehr hilfreich und bieten Neuveganer_innen bestimmt eine gute Orientierung.
Patrick Bolk (Hg.): Ab heute Vegan. Ventil Verlag Mainz.
Ich habe mein Rezensionsexemplar kostenlos vom Verlag zur Verfügung gestellt bekommen.