Letzten Sommer, als mein Vater uns in Dresden besuchte, brachte er an einem Nachmittag eine Schale Erdbeeren. Er hatte sie im Supermarkt direkt um die Ecke gekauft. „Die sind nicht gut. Du hättest sie nicht kaufen sollen“, war meine ziemlich undankbare Antwort. Mein Vater probierte eine und sagte, sie seien nicht schlecht. „Nein, sie schmecken nicht, vor allem nicht, wenn man sie mit den Erdbeeren aus unserem Dorf vergleicht.“ Mit diesem Satz purzelten 10 Kilo Kindheitserinnerungen in den Raum. Als wir Kinder waren und noch bei meinen Eltern auf dem Dorf lebten, waren Sommer und Erdbeeren eins. Mein Vater ging sonntags los und holte die Früchte frisch vom Feld. Manchmal halfen wir, sie zu schneiden, einige Male durften wir sogar die Sahne schlagen. Es gab nichts Besseres als diese saftigen, süßen Erdbeeren. Auf unseren Fahrradtouren rund ums Dorf haben wir auf den Feldern oft welche gemopst. Oder einfach die Beete unseres Onkels leergefuttert. Wir sind rückwärts gegangen und dachten, er würde so die anderen Nachbarskinder verdächtigen. Aber er hat uns natürlich jedes Mal gesehen. An all das musste ich denken, als ich meinem Vater sagte, er habe schlechte Erdbeeren gekauft. Er widersprach mir. Er sagte, die im Dorf seien nicht mehr gut, sie seien viel schlechter als die Früchte, die er gerade gekauft habe. Ich blieb stur und glaubte ihm kein Wort.
Dieses Jahr zu Pfingsten besuchten F und ich meine Eltern. Mein Vater holte uns wie immer in Bremen am Bahnhof ab und fuhr uns nach Hause in das niedersächsische Dorf. Unterwegs sahen wir einige Erdbeerfelder. Darauf hatte ich mich schon so gefreut. Ich sagte etwas wie: „jeden Morgen Erdbeeren zum Frühstück“. Worauf mein Vater antwortete, ich solle mir lieber eine Alternative überlegen. Diesmal erklärte er mir die Sache genauer. Vor ein paar Jahren hatten anscheinend alle Bauern auf neue Beerensorten umgestellt. „Die Erdbeeren halten nun länger. Aber sie schmecken leider auch lange nicht mehr so gut wie früher.“ Das alles wollte ich immer noch nicht glauben. Verschwörungstheorie vielleicht. Ein klarer Fall von Früher-war-alles-besser-Syndrom. Erinnerte mein Vater sich nicht mehr daran, wie gerne wir früher zusammen Erdbeeren gegessen hatten? Dass er an Sonntagen immer welche frisch vom Feld für uns besorgte?
Am nächsten Tag bereiteten F und ich das Mittagessen vor, als mein Vater plötzlich mit einer Schale Erdbeeren in die Küche kam. Sehr blasse Erdbeeren. „Waren alle guten Erdbeeren ausverkauft?“, fragte ich. „Nein, die sehen alle so aus.“ F war nicht besonders interessiert. Ich gab ihr eine zum probieren. Sie sah mich entsetzt an. Ich war enttäuscht. Meine Tochter wohl auch, denn sie fand die Erdbeeren sauer und geschmacklos. Und sie konnte natürlich nicht nachvollziehen, warum das für mich ein Drama war. Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein. Vieleicht hab ich mich mit Früher-war-alles-besser angesteckt. Oder vielleicht sollten wir den Erdbeeren einfach noch ein klein wenig Sommer gönnen, Zeit zum süß und saftig werden. Es war ja erst Mai. Ich weiß es nicht. Jetzt, gibt es jedenfalls erstmal keine Erdbeeren mehr. Andere Kindheitserinnerungen können auch gepflegt, vielleicht sogar verbessert werden. Rhabarber gehört definitiv aufgewertet. Den fand ich als Kind uninteressant. Alle hatten Rhabarber in ihrem Garten und ständig wurde daraus Kuchen gebacken. Kuchen, der uns nie süß genug war, vor allem, wenn man ihn mit Erdbeerkuchen verglich. Ich dachte damals immer, dass meine Tanten und Nachbarinnen uns wahrscheinlich unsere Liebe zu allem Süßen abgewöhnen wollten. Einfach dem Kind mal einen sauren Kuchen geben, dann ist das erledigt. Heute weiß ich aus eigener Erfahrung, dass sie den Kuchen gut fanden, da er eine tolle sommerliche Abwechslung zu den sonst üblichen Sahnetorten darstellte.
Jetzt, da die Erdbeeren entzaubert sind, weiß ich den ganz speziellen Geschmack von Rhabarber zu schätzen. Natürlich habe ich nun ein Kind, dass sich weigert und denkt, ich wolle es mit saurem Kuchen vergiften. Dabei kann man Rhabarber ja auch ganz anders verarbeiten, vor allem, wenn man sehr viel davon hat. Als ich vor Wochen ein paar Strünke geschenkt bekam, habe ich zum Beispiel süßen Sirup daraus gemacht. (Den findet das Kind super, versteht sich.) Nachdem ich der Person, die ihren Rhabarber mit mir geteilt hatte, eine Flasche abgab, wollte sie Nachschub. Dafür bekam ich mehr Rhabarber. Zirka 5-6 Kilo. Damit habe ich viel Sirup gemacht, aber auch Kompott und schließlich ein Eis, in dem sich sowohl der Sirup als auch das Kompott wiederfanden.
Es gibt viele gute Methoden, um ein leckeres veganes Eis herzustellen. Ich probiere gerne neue Dinge aus, auch wenn ich zugeben muss, dass dieses Eisrezept zeitaufwendig ist. Veganes Eis ist oft sehr fest, und um das zu ändern, gibt es verschiedene Methoden. Man kann zum Beispiel viel Zucker verwenden. Man kann aber auch „Eischnee“ unterheben, den man sehr schnell aus Kichererbsenflüssigkeit und Zucker herstellen kann. Für dieses Rezept kamen sowohl viel Zucker als auch eine Grundversion meines Marshmallow-Fluffs zum Einsatz. Das hat die Textur enorm verbessert, das Eis ist leicht wie ein Sorbet und erinnert gleichzeitig an Softeis. Auch nach einer Woche im Gefrierfach war es sehr einfach zu verarbeiten und wirkte fast ein bisschen „halbgefroren“. Weil wir immer noch keine Eismaschine haben, habe ich meine Mixermethode verwendet.
Das klingt für manche vielleicht kompliziert. Deshalb noch ein paar Alternativvorschläge: Wer eine Eismaschine hat, kann diese natürlich benutzen. Eis aus der Kokos- und Sirup-Mischung wie beschrieben herstellen und die Mischung in die Eismaschine geben. Wenn das Eis fertig ist, den Kichererbsenschaum unterheben und weiter nach Rezept verfahren. (Man kann den Schaum auch weglassen, dann wird das Eis fester, schmeckt aber natürlich trotzdem.) Wer weder Eismaschine noch Mixer hat, kann den Kichererbsenschaum auch weglassen. Einfach die Kokos-Sirup-Mischung herstellen, Kompott unterheben und gefrieren lassen. Am besten ist des dann, das Eis nach dem Gefrieren in Scheiben geschnitten zu servieren. So hat man ein Semifreddo. Um etwas zeit zu sparen kann man den Sirup und das Kompott auch ein bis zwei Tage zuvor herstellen.
Rhabarbereis
Das Siruprezept stammt von dieser Seite. Ich habe es nur unwesentlich abgewandelt.
Für den Sirup
500 g Rhabarber, in kleine Stücke geschnitten
240 ml Wasser
250 g Zucker
Saft einer halben Zitrone
Samen einer Vanilleschote
Für das Kompott
200 g Rhabarber, in kleine Stücke geschnitten
100 g Zucker
Für das Eis
1 400 ml Dose Kokosmilch
2 EL geschmolzenes Kokosfett oder anderes Öl
50 g Zucker
240 ml Rhabarbersirup (Rezept siehe oben)
60 ml Flüssigkeit aus einer Dose Kichererbsen
50 g Zucker
ein Spritzer Zitronensaft
1/2 Menge des Rhabarberkompotts (Rezept siehe oben)
Vorgehensweise
1. Für den Sirup Rhabarber und Wasser in einem kleinen Topf zum Kochen bringen.
2. Ca. 5-10 Minuten köcheln lassen, bis der Rhabarber auseinanderfällt.
3. Die Flüssigkeit über einem feinen Sieb abgießen und möglichst viel Saft aus dem Rhabarber pressen.
4. Den Saft wieder in den (in der Zwischenzeit gereinigten) Topf geben und die Rhabarberfasern aus dem Sieb entsorgen.
5. Zucker, Zitronensaft und Vanille dazugeben.
6. Ca. 10 Minuten köcheln lassen. Vorsicht, die Mischung kann überkochen.
7. Abkühlen lassen und in ein sterilisiertes Glas geben. Reste, die nicht für das Eis gebraucht werden, sollten sich ca. 1-2 Wochen im Kühlschrank halten.
8. Für das Kompott Rhabarber und Zucker in einen kleinen Topf geben und zum Kochen bringen.
9. Kochen lassen, bis der Rhabarber auseinanderfällt. (5-10 Minuten)
10. Beiseite stellen und vollständig abkühlen lassen.
11. Für das Eis Kokosmilch, Öl und Zucker in eine Schüssel geben. Gut verrühren, Sirup dazugeben und wieder rühren.
12. In einen flachen Behälter geben (z. B. Brownieform) und in den Gefrierschrank geben.
13. 2-3 Stunden warten, bis die Mischung gefroren ist.
14. Sobald die Kokosmilchmischung gefroren ist, Kichererbsenflüssigkeit und Zucker in eine hohe Schüssel geben. Auf höchster Stufe steif schlagen. Das kann bis zu 10 Minuten dauern. 15. Das Kokoseis in kleine Stücke schneiden und in einen (guten!) Standmixer geben.
16. Pürieren, bis die Mischung die Konstenz von Softeis hat.
17. Jetzt zur steifen Bohnenflüssigkeit geben und den „Bohnenfluff“ sehr vorsichtig unterheben. Darauf achten, dass die Mischung nicht zusammenfällt.
18. Die Mischung in einen passenden verschließbaren Behälter geben und weitere 2-3 Stunden einfrieren.
19. Dann die Hälfte des Kompotts unterheben und vollständig gefrieren lassen.