Das Originalrezept für diese Grünkohltortillas stammt von einer meiner Lieblingskochbuchautorinnen: Terry Hope Romero. In ihrem Buch Viva Vegan! gibt es ein perfektes Tortillarezept, das ich seit Jahren mache. Denn nach wie vor ist es sehr schwierig, in meiner Nähe gute Tortillas zu finden.
Ich wandle das Rezept oft ab und für die letzte Version habe ich das vom Grünkohlentsaften übriggebliebene Pressgut (Pulp) verwendet. Das hört sich für traditionelle Grünkohlliebhaber jetzt wahrscheinlich total merkwürding an. Grünkohl entsaften? Muss man den nicht mindestens eine Stunde kochen? Mit viel Fett! Ja, diese Diskussionen gibt es immer in meiner norddeutschen Familie. Bei uns wurde Grünkohl natürlich nur im Winter gegessen (sonst gab es ihn ja auch nicht), meistens war er tiefgefroren und schon gehackt. Natürlich war das ein Fleischgericht und wurde lange gekocht. Auch nicht fehlen durfte Hafergrütze, zum Binden. Ich gebe zu, dass ich das sehr geliebt habe. Zusammen mit Kartoffeln und Butter. Auch heute esse ich das noch gerne. Meine Mutter, die mittlerweile selbst Vegetarierin ist, macht das Gericht nun mit Räuchertofu und Gemüsebrühe. Und auf die Kartoffeln kommt Alsan, ihre Lieblingsmargarine.
Auch nachdem ich ausgezogen war, habe ich mir manchmal Grünkohl gemacht. Ebenfalls mit Räuchertofu. Als das Gemüse dann plötzlich auf amerikanischen Blogs zum Trend erklärt wurde und alle Grünkohlsalat und Säfte machten, brauchte ich erst eine Weile, um zu verstehen, dass man Grünkohl tatsächlich sehr vielzeitig zubereiten kann und diese Zubereitung manchmal sehr kurze Kochzeiten beinhaltet. Oder gar keine. An Grünkohlsaft habe ich mich allerdings noch nie herangetraut.
Nun haben wir schon seit dem Spätsommer Grünkohl bei der Arbeit. Sogar welchen in lila. Lilakohl? Jedes Jahr versuche ich, meine Grünkohlrezeptideen ein wenig zu erweitern. Meistens landet er sehr fein geschnitten in Pfannengerichten, manchmal gebe ich in zur Tomatensauce. Unsere Tochter wiederum liebt ihren Monstersaft. Das ist ein Smoothie aus sehr viel Obst und ein bis zwei kleinen Grünkohlblättern. Gerade soviel, dass man ihn nicht schmeckt. Als ich den Smoothie das letzte Mal gemacht habe, habe ich den Grünkohl entsaftet und nur diesen Saft in den Smoothie getan.
Das habe ich gemacht, weil ich mit dem Pressgut experimentieren wollte. Denn Entsaften an sich finde ich nicht so toll. Ich sehe keinen Sinn darin, Obst und Gemüse auszupressen und dann die Hälfte wegzuschmeißen. Noch dazu sind Entsafter teuer, nur sehr einseitig einsetzbar und wohl auch anstrengend zu reinigen. Wenn doch Entsaften, dann ohne Gerät und mit der Möglichkeit, das Pressgut weiterzuverwenden. Dieses habe ich zunächst verschiedenen Brot- und Brötchenteigen zugesetzt, bis ich auf die Idee kam, Tortillas zu machen. Und das ganz ohne Entsafter.
Im vielen Drogeriemärkten gibt es Wäschenetze. Die sind zwar größer, aber vom Material her sehr ähnlich wie Nussmilchbeutel. Nur bedeutend günstiger. Mit denen kann man auch sehr gut Entsaften. Ich nehme normalerweise ca. 150 g grob gehackten Grünkohl und 250 ml Wasser. Beides püriere ich im Mixer. Dann lege ich den Wäschebeutel in einen grißen Messbecher und gieße die Grünkohlmischung in den Behälter. Danach drücke ich mit meinen Händen so viel Flüssigkeit heraus wie möglich. Am Ende bleiben ca. 30 – 50 g Pressgut über, dass man dann zum Tortillateig geben kann.
Für diese Tortillas habe ich Terrys Rezept etwas abgewandelt, denn man braucht weniger Wasser. Das mag an der Wahl meines Mehls gelegen haben – gelbes Weizenmehl, das viel weniger Wasser benötigt als normales Mehl. Wahrscheinlich aber eher am Pressgut, denn mit Vollkornmehl gemacht kam der Teig ebenfalls mit weniger Mehl aus. Um die Tortillas weich zu halten, lege ich sie immer zwischen zwei Teller. So kann sich der Wasserdampf besser sammeln als wenn man die Tortillas in ein Küchentuch wickelt. Und man spart Energie, weil man auf Aluminiumfolie verzichten kann.
Vorgehensweise
Das Pressgut wie oben beschrieben zubereiten.
Mehl, Salz und Backpulver in einer Schüssel mischen.
Das Kokosfett mit den Fingern einarbeiten, bis der Teig sehr krümelig ist und keine Fettflocken mehr zu sehen sind.
Pressgut und Wasser dazugeben. Mit 80 ml Wasser anfangen und nur wenn nötig mehr dazugeben. Der Teig sollte fest, aber gut ausrollbar sein.
Den Teig in 8 gleich große Portionen teilen und zu Bällen rollen.
Jeden Ball auf ca. 18 cm ausrollen.
Eine gusseiserne Pfanne auf höchster Stude erhitzen.Jede Tortilla einzeln auf jeder Seite ein bis zwei Minuten backen.
Die Tortillas nacheinander auf einen Teller geben und mit einem gleichgroßen, umgedrehten Teller bedecken.
Dort können sie bis zum Servieren warmgehalten werden.